In Baden-Württemberg leben 250.000 Kinder in Familien mit einem suchterkrankten Elternteil. Diese Mütter und Väter sind häufig zusätzlich von weiteren psychischen Erkrankungen betroffen. Es stellt für sie eine große Herausforderung dar, abstinent zu bleiben und gleichzeitig ihre Rolle als Eltern ausreichend auszufüllen. Kinder aus diesen Familien haben schlechtere soziale Teilhabe- und Bildungschancen sowie eine deutlich höhere Gefahr, im Laufe ihres Lebens selbst eine psychische Erkrankung oder eine Suchterkrankung zu entwickeln.
Therapiebegleitende App für suchterkrankte Eltern
Hier setzt das Projekt Elma an und macht sich zur Aufgabe, die Abstinenzfähigkeit sowie die Erziehungsfähigkeit suchterkrankter Eltern zu verbessern. Dafür soll eine App entwickelt werden, die bestehende suchttherapeutische Angebote in Kliniken und Suchtberatungsstellen in Baden-Württemberg ergänzen kann. Die Betroffenen sollen mit Hilfe der App die in der Suchttherapie erlernten Inhalte leichter in ihren Alltag integrieren können.
Elma wird vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim zusammen mit dem Psychiatrischen Zentrum Nordbaden (PZN) in Wiesloch entwickelt. Das Projekt ist Anfang Mai 2023 gestartet. Gefördert wird es von der Baden-Württemberg Stiftung. Die App steht den Eltern kostenfrei während ihrer Behandlung in den am Projekt beteiligten Kliniken und Suchtberatungsstellen in ganz Baden-Württemberg zur Verfügung.
„Eine Behandlung ist wirkungsvoller, wenn die PatientInnen sich auch zwischen den Sitzungen mit Therapieinhalten beschäftigen und diese in ihrem Alltag anwenden. Suchterkrankten Eltern fällt es allerdings oft schwer, ihre Aufgaben auf Papier zu bearbeiten. Außerdem ist die Umsetzung des Gelernten im stressigen Familienalltag so oft erschwert. Eine App auf dem eigenen Smartphone kann das erleichtern“, sagt Prof (apl.) Dr. Anne Koopmann, Oberärztin an der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am ZI und Leiterin des Elma Projekts.
Betroffene erhalten Informationen und Anleitungen
Alle Themenbereiche sind unterteilt in einen Infobereich („Werde Experte Teil“) in dem die Betroffenen in Text-, Audio- und Videobeiträgen Informationen zu ihrer Suchterkrankung und einem besseren Umgang damit sowie zu Selbstfürsorge- und Erziehungsthemen finden. In einem Coaching- und Reflexionsbereich („Werde aktiv“) können sich die Betroffenen aktiv mit ihrer eigenen Situation auseinandersetzen und sich mit Alltagsthemen wie zum Beispiel der Gestaltung eines Pausenbrots oder der Durchführung von Entspannungsübungen gemeinsam mit dem Kind auseinandersetzen. Um das Suchtverhalten nachhaltig zu reduzieren, sind in der App Anleitungen mit konkreten Strategien zur Reduktion von Suchtverlangen enthalten. Zudem werden Eltern angeleitet, regelmäßig ihr Suchtverlangen, ihre Gefühle und den Zusammenhang mit Belastungen und Herausforderungen im Erziehungsalltag über eine interaktive Tagebuchfunktion zu reflektieren.
Digitale Anwendung erleichtert den Zugang
Das Suchthilfesystem in Deutschland ermöglicht Betroffenen grundsätzlich flächendeckend einen guten Zugang zu Therapieprogrammen. Suchterkrankte Eltern erleben den Zugang zu diesen Angeboten jedoch häufig als erschwert und können sie nicht wahrnehmen. Ihnen fehlt die soziale und/ oder familiäre Unterstützung, um die Kinder während der Behandlungszeit zu betreuen.
„Die Elma App kann eine bedeutende Versorgungslücke schließen, da sie gut mit dem Familienalltag vereinbar ist. Betroffene können sie ohne zeitliche Einschränkungen zwischen den Behandlungsterminen nutzen. Sie steht auch strukturschwächeren und ländlichen Regionen ohne viel Aufwand zu Verfügung“, sagt Dr. Tobias Link, Chefarazt der Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung am Psychiatrischen Zentrum Nordbaden und Co-Leiter des Projekts Elma.
Für suchterkrankte Eltern mit Migrationshintergrund oder Geflüchtete aus Krisengebieten ist der Zugang zu Behandlungsangeboten zudem dadurch erschwert, dass es kaum Therapieangebote in ihrer Muttersprache gibt. Daher werden die Inhalte der App in verschiedenen Sprachen angeboten – zunächst Deutsch, Englisch, Französisch, Ukrainisch, Russisch, Türkisch und Polnisch.
Angehörige können mitgestalten
Die App soll auch für Angehörige in einem speziell für sie gestalteten Bereich Unterstützung bieten. Sowohl Kinder als auch erwachsene Angehörige erhalten Informationen und Tipps im Umgang mit der Erkrankung. Sie bekommen zudem die Möglichkeit, Motivationshilfen zu gestalten. Die positive Verstärkung aus dem sozialen Umfeld trägt dazu bei, den Suchtmittelkonsum zu reduzieren.
Elma – Ein Kollaborationsprojekt
Elma wird vom Feuerlein Centrum für translationale Suchtmedizin (Feuerlein-CTS) entwickelt. Das Feuerlein Centrum ist eine Kooperation zwischen der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin des ZI und der Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden in Wiesloch. Die App Elma kann an allen Suchtkliniken der Zentren für Psychiatrie Baden-Württembergs (ZfP), den Suchtberatungsstellen und Rehakliniken des Baden-Württembergischen Landesverbands für Prävention und Rehabilitation (bwlv) und des AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg e.V genutzt werden.